Gewinnverteilung im Team
Über ein erfolgreich verlaufenes Organisationsexperiment
Im Frühjahr 2021, inmitten der Corona-Pandemie mit all ihren Unsicherheiten entschlossen wir uns aufgrund geringerer Präsenz-Aufträge und dadurch verminderter Umsätze zur Anmeldung der Kurzarbeit. Gleichzeitig gab unser Geschäftsführer und Alleineigentümer Andreas Rath die Zusage, einen allfälligen Ertragsüberschuss innerhalb des Kernteams aufzuteilen. Das Kernteam besteht aus dem Geschäftsführer, mehreren angestellten und einigen freiberuflichen Organisationsberater:innen, einer Office-Verantwortlichen und der Marketingleiterin. Mitte Dezember wurde ein Ertragsüberschuss festgestellt und der Verteilungsprozess gestartet.
Für den nun folgenden Prozess im Kernteam, der bewusst als einmaliges Lernexperiment tituliert und den Organisationsberater:innen übergeben wurde, gab es klare Rahmenbedingungen: Die Verteilung der Summe von gut € 30.000,- musste bis 20. Jänner 2022 entschieden sein, die definierten Beträge waren als Gesamtbeträge inkl. aller Abgaben (z.B. Lohnnebenkosten bei Angestellten) zu verstehen. Wäre kein Ergebnis erzielt worden wäre, hätte der Geschäftsführer über die Verteilung entschieden. Das wichtigste Kriterium aber war, dass kein schwerer Einwand gegen das Endergebnis erhoben werden durfte. Somit hatten alle Beteiligten inklusive Geschäftsführer ein Vetorecht, also volle Entscheidungsmacht.
In einem 2-stündigen Kernteammeeting erfolgte dann die Verteilung, exzellent moderiert durch den freiberuflichen Berater Clemens Böge, der somit in einer Doppelrolle agierte.
Ausgangspunkt war die Vermutung, dass eine aufwändige, analytisch-mathematische Herangehensweise nicht gut funktionieren würde. Sie passt nicht wirklich zu uns und ein Ergebnis hätte nicht zwangsläufig die nötige Akzeptanz. Stattdessen wurde ein transparenter und spielerischer Ansatz gefunden, in dem gleichzeitig viel Austausch gewährleistet war.
Am Anfang stand die Frage nach den Wünschen für eine gute Lösung. Neben dem erwartbaren Wunsch nach Fairness gingen viele Rückmeldungen darüber hinaus: Die Lösung sollte uns mit Stolz erfüllen, Freude machen und für das weitere Tun motivieren. Hohe Ansprüche also. Im Anschluss tauschten wir uns mittels Skalierungsfrage aus, wie zuversichtlich wir sind, dass wir eine solche Lösung innerhalb der nächsten 2 Stunden erreichen würden. Dabei wurden auch Bedenken und Vorschläge für den Prozess geäußert. Schließlich füllten wir ein ganzes Flipchart mit Kriterien, die aus Sicht aller Beteiligten eine Rolle spielen sollten- ohne allerdings gemeinsame Kriterien definieren zu wollen. Natürlich wurden leistungsbezogene Argumente, wie verkaufte oder abgewickelte Leistungen, genannt. Darüber hinaus kamen aber auch Teilzeit, Dauer der Firmenzugehörigkeit oder soziale Aspekte zur Sprache. Der Wert der Arbeit ist höchst subjektiv und nicht befriedigend an einer einzelnen Messgröße fest zu machen.
Und dann wurde gespielt. Legosteine im Wert von € 500,- symbolisierten das Geld und wurden zunächst gleichmäßig auf alle aufgeteilt. Ein Rest von etwa 25% blieb in der Mitte des Tisches – der „Pott“. In der ersten Spielphase konnten man Steine in den Pott legen oder für sich herausnehmen, je nach individuellen Kriterien. Die Spielzüge wurden kommentiert. Nach 3 Runden bewegte sich nicht mehr viel und wir erhoben ein erstes Stimmungsbild mittels Systemischen Konsensieren. Auf einer 10er Skala (0=kein Widerstand, 10=maximaler Widerstand) gab es Werte bis 7. Um einem Konsens näher zu kommen, konnten nun auch Steine direkt anderen Personen geschenkt werden. Speziell in dieser Spielphase gab es viele wertschätzende, emotionale und auch kritische Rückmeldungen aneinander. Zwei Beispiele dazu: „Ich finde, Du warst bisher zu zurückhaltend, für das, was Du in letzter Zeit geleistet hast. Ich möchte Dir von meinen Steinen etwas abgeben.“ oder: „Ich weiß, dass Du gerade in einer finanziell angespannten Situation bist. Du brauchst das Geld mehr als ich.“
Am Ende haben wir tatsächlich gemeinsam eine Lösung gefunden, die den zuvor geäußerten Wünschen in sehr hohem Maße entsprach. Bemerkenswert war die letztlich sehr freudvolle, berührende Stimmung ob des gelungenen Prozesses, der mittlerweile erfolgreich wiederholt wurde.
Andi Rath und Clemens Böge sind Organisationberater beim Freiräume-Pionier BRAINS AND GAMES.
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