Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit

Wann erleben Menschen ihre Arbeit als wertvoll? Woran bemisst sich in unserer Gesellschaft der Wert von Arbeit? Und wo endet Arbeit und beginnt Freizeit? Fragen zum Wert von Arbeit, dem Thema der Freiräume (Un)Conference 2023. Zur Vorbereitung haben Mitglieder der Freiräume Community sich zu Fragen wie diesen Gedanken gemacht und kurze Texte geschrieben. Als Einstimmung und Gedankenanregung für dich.

ChangeX

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie, die mit unserem Partner ChangeX, der Online-Plattform für Zukunftsideen, neue Wirtschaft und Innovation entstanden ist. Alle bisher erschienenen Beiträge der Serie kannst du im Sammelartikel Arbeit, Wert und Sinn – Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit nachlesen.

Sonja Strohmer über den Wert, den Arbeit schaffen kann

Sonja Strohmer fragt, für wen Arbeit Wert besitzt: für einen selbst, für andere, für die Gesellschaft.

Mich bewegt die Frage, welchen Wert Arbeit potenziell schaffen kann, was Wirtschaftswachstums-Ermöglichungs-Produkte mit Schlafstörungen und Sinnfindungsworkshops zu tun haben könnten – und in welchem Dilemma wir dabei als Gesellschaft stecken und welche Perspektiven es gibt.

Beim Wert der Arbeit unterscheide ich zwischen dem Wert für mich und dem Wert für andere beziehungsweise für die Gesellschaft.

Für mich:

(1) Halt und Lebenszufriedenheit: Das ist der Wert, den die Arbeit mir ganz unabhängig vom Inhalt und Rahmen schafft, indem sie mir Halt gibt und zur Lebenszufriedenheit beiträgt. Was mit Menschen passiert, denen Arbeit fehlt, zeigt …

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Sonja Strohmer fragt, für wen Arbeit Wert besitzt: für einen selbst, für andere, für die Gesellschaft.

Mich bewegt die Frage, welchen Wert Arbeit potenziell schaffen kann, was Wirtschaftswachstums-Ermöglichungs-Produkte mit Schlafstörungen und Sinnfindungsworkshops zu tun haben könnten – und in welchem Dilemma wir dabei als Gesellschaft stecken und welche Perspektiven es gibt.

Beim Wert der Arbeit unterscheide ich zwischen dem Wert für mich und dem Wert für andere beziehungsweise für die Gesellschaft.

Für mich:

(1) Halt und Lebenszufriedenheit: Das ist der Wert, den die Arbeit mir ganz unabhängig vom Inhalt und Rahmen schafft, indem sie mir Halt gibt und zur Lebenszufriedenheit beiträgt. Was mit Menschen passiert, denen Arbeit fehlt, zeigt die soziologische Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ aus dem Jahr 1933 eindrucksvoll. (*)

(2) Erleben von Bedeutsamkeit, Selbstwirksamkeit, Kompetenz und Social Impact: Meine Arbeit kann mich persönlich beflügeln und mein Bedürfnis nach gutem sozialen Einfluss befriedigen.

(3) Eigenes Einkommen: Meine Arbeit kann mir mehr oder weniger Einkommen einbringen.

Für einzelne andere oder die Gesellschaft:

(1) Einkommen für andere: Meine Arbeit kann dafür sorgen, dass andere Menschen bezahlte Arbeit haben. Spannend ist hier zu reflektieren, wem wir dieses Einkommen ermöglichen, wem nicht und wie hoch diese Einkommen sind.

(2) Angebote zur Befriedigung von wichtigen Bedürfnissen: Dabei denke ich an so unterschiedliche Kategorien wie Kartoffelanbau, Psychotherapie, Kunst oder Rechtsprechung.

(3) Angebot von Wirtschaftswachstums-Ermöglichungs-Produkten: Dabei denke ich etwa an die Vielzahl von Produkten, ohne die unsere Großeltern noch sehr gut ausgekommen sind, ohne dabei an Verzicht zu denken. Diese Produkte sind der Grund dafür, warum wir noch immer genug Arbeit haben, obwohl unsere Produktivität in den letzten Jahrzehnten dermaßen angestiegen ist. Sie halten unsere kapitalistische Weltordnung aufrecht, ermöglichen sehr vielen Menschen Wohlstand (wenn auch sehr ungleich verteilt) und geben uns damit gesellschaftliche Stabilität (wenn auch Umweltschäden in Kauf genommen werden). Aus dem Bauch heraus schätze ich, dass 60 bis 70 Prozent unserer bezahlten Arbeit in diese Kategorie fallen.

David Graeber behauptet in seinem Buch Bullshit Jobs: A Theory, dass 37 Prozent unserer Jobs überflüssig sind und keinen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. (**) Dabei beruft er sich auf Selbstauskünfte von arbeitenden Menschen. Zusätzliche 13 Prozent sind sich unsicher. Vielleicht ist das der Grund für volle Purpose-Strategieworkshops, für Coachings zur Sinnfindung und für Burnout, Ängste, Depressionen und Schlafstörungen? In meiner Argumentationslogik muss ich Graeber nur dahingehend widersprechen, dass die Jobs zumindest insofern gesellschaftlichen Wert haben, als sie gute Einkommen ermöglichen, den Wachstumsmotor schnurren lassen und damit unsere gesellschaftliche Weltordnung erhalten. Deshalb halten sie sich wohl auch so hartnäckig.

Wie können wir hier umlenken? Wie gelingt es uns, wieder mehr Ressourcen in die Befriedigung von wichtigen Bedürfnissen zu lenken, ohne gesellschaftliche Verwerfungen durch Wohlstandsverluste zu riskieren? Das ist die Kernfrage einer Gemeinwohlökonomie.

(*) Die Studie Die Arbeitslosen von Marienthal über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit aus dem Jahr 1933 gilt als als Meilenstein in der Entwicklung der empirischen Sozialforschung. Die Studie zeigte die sozio-psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit auf und machte deutlich, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht zu Revolte, sondern zu Einsamkeit und passiver Resignation führt. Hans Zeisel, Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Frankfurt 1975 (edition suhrkamp) Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Arbeitslosen_von_Marienthal

(**) David Graeber: Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit, Stuttgart 2020 (Klett-Cotta)

Sonja Strohmer

Sonja Strohmer stellt sich vor als „Möchtegernweltverbesserin und Community-Lead“. Sie ist Initiatorin des Unternehmensnetzwerks Work Smart Circle für Unternehmen auf Work Smart Kulturentwicklungsreise. Sie ist systemischer Business-Coach und Co-Founder von HR Jobmatcher. Davor war sie als People & Culture Managerin, Lektorin und Arbeitsforscherin tätig. Sie ist schon äußerst gespannt, bei der Freiräume (Un)Conference von Christian Felber mehr zum Thema Gemeinwohlökonomie zu erfahren.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie, die mit unserem Partner ChangeX, der Online-Plattform für Zukunftsideen, neue Wirtschaft und Innovation entstanden ist. Alle bisher erschienenen Beiträge der Serie kannst du im Sammelartikel Arbeit, Wert und Sinn – Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit nachlesen.