Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit

Wann erleben Menschen ihre Arbeit als wertvoll? Woran bemisst sich in unserer Gesellschaft der Wert von Arbeit? Und wo endet Arbeit und beginnt Freizeit? Fragen zum Wert von Arbeit, dem Thema der Freiräume (Un)Conference 2023. Zur Vorbereitung haben Mitglieder der Freiräume Community sich zu Fragen wie diesen Gedanken gemacht und kurze Texte geschrieben. Als Einstimmung und Gedankenanregung für dich.

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Dieser Beitrag ist Teil einer Serie, die mit unserem Partner ChangeX, der Online-Plattform für Zukunftsideen, neue Wirtschaft und Innovation entstanden ist. Alle bisher erschienenen Beiträge der Serie kannst du im Sammelartikel Arbeit, Wert und Sinn – Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit nachlesen.

Herbert Schober-Ehmer über die überforderte Arbeit

Die Erwartungen an die Arbeit sind gewachsen – das überfordert sie.

Was soll Arbeit nicht alles leisten? Sinn, Selbstverwirklichung, Flow und Freude bieten, Weiterentwicklung und Karriere ermöglichen, ein gutes Einkommen sichern … und und und. Die Ansprüche und Erwartungen, die sich an die Arbeit richten, sind gewachsen. Es sind Ansprüche, die sonst dem Leben an sich gelten. Doch die Arbeit ist damit überfordert. Die Arbeit? Die Frage ist: Welche Arbeit? Angesagt sind Differenzierung, Konkretisierung und die Berücksichtigung unterschiedlicher Kontexte, in denen Arbeit getan wird. Und es braucht Dialoge über sinnvolle Arbeitsverhältnisse. Konkret und mit denen, die die Arbeit tun. Ihre Arbeit.

Arbeit ist ein weites Feld. Orientierung ist gefragt, wie wie Arbeit verstanden und gestaltet werden kann. Eine Arbeit, die einerseits Sinn stiftet, Verbundenheit und Entwicklung ermöglicht und andererseits …

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Die Erwartungen an die Arbeit sind gewachsen – das überfordert sie.

Was soll Arbeit nicht alles leisten? Sinn, Selbstverwirklichung, Flow und Freude bieten, Weiterentwicklung und Karriere ermöglichen, ein gutes Einkommen sichern … und und und. Die Ansprüche und Erwartungen, die sich an die Arbeit richten, sind gewachsen. Es sind Ansprüche, die sonst dem Leben an sich gelten. Doch die Arbeit ist damit überfordert. Die Arbeit? Die Frage ist: Welche Arbeit? Angesagt sind Differenzierung, Konkretisierung und die Berücksichtigung unterschiedlicher Kontexte, in denen Arbeit getan wird. Und es braucht Dialoge über sinnvolle Arbeitsverhältnisse. Konkret und mit denen, die die Arbeit tun. Ihre Arbeit.

Arbeit ist ein weites Feld. Orientierung ist gefragt, wie wie Arbeit verstanden und gestaltet werden kann. Eine Arbeit, die einerseits Sinn stiftet, Verbundenheit und Entwicklung ermöglicht und andererseits die Realitäten von Kundinnen, Kunden, Stakeholdern und die Logik von Organisationen anerkennt.

Arbeit ist „ein Feld voller Brüche und Widersprüche. Und Paradoxem“, schreibt Winfried Kretschmer in der Einleitung zu seinem Fragen-Essay zum Wert von Arbeit. So sind „die Ansprüche an Arbeit gewachsen. An sie knüpfen sich ambitionierte Erwartungen von Sinn, Selbstverwirklichung und Flow, ja vielleicht sogar, dass sie uns ein Stück weit glücklich macht. Und natürlich einen hohen Lebensstandard ermöglicht.“

Dieser Aufzählung kann man sicher – und mit Zustimmung des Autors – noch weitere „Solls“ hinzufügen: Arbeit soll nicht entfremden, sie soll gesellschaftliche Werte schaffen, selbst wertvoll sein, wertgeschätzt werden, Lernen und Entwicklung ermöglichen, die Karriere fördern, das Leben erfüllen, nicht stressen, Freude bereiten und Spaß machen, den gesellschaftlichen Status sicherstellen, Identität stiften – und zudem einen Beitrag leisten, die Welt zu retten oder sie zumindest ein Stück weit besser zu machen. Zweifellos: Den Erzählungen, welche Bedeutung Arbeit für den Einzelnen besitzt und was sie ermöglichen soll, werden immer mehr Erwartungen hinzugefügt – und fast verschämt wird dann noch daran erinnert, dass sie einen vernünftigen Lebensstandard für den Einzelnen und die Familie sicherstellen soll.

Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt für die Titelthese von der überforderten Arbeit. Ausgehend von den Eingangshypothesen von Winfried Kretschmer und den Gedanken von Christian Felber möchte ich mit vier Reflexionsimpulsen Orientierung suchen.

Erster Reflexionsimpuls: Was tun wir der Arbeit an, und kann sie unsere Erwartungen erfüllen?

Diese – wahrscheinlich unvollständige – Aufzählung, welche Ansprüche und Erwartungen sich an die Arbeit richten, macht mich mehr als stutzig. Warum wird das alles von der Arbeit erwartet? Und ist Arbeit nicht – zum Teil zumindest – die falsche Adresse dafür? Ich frage mich: Was bedeutet diese Fülle an Erwartungen? Und welches ist ihre Funktion?

Wie kommt es, dass all diese durchaus verständlichen Erwartungen an die Arbeit gerichtet werden – ganz so, als gäbe es nicht noch anderes im Leben, das man dafür als zuständig sehen könnte. Bei genauerem Hinsehen können viele dieser Erwartungen an das Leben schlechthin gerichtet werden. Und offensichtlich gibt es andere gesellschaftliche Funktionsbereiche, in denen Menschen Sinnerfüllung, Glück, Flow et cetera erleben können: Kunst, Wissenschaft, Bildung, die Familie, Engagement in der Zivilgesellschaft zum Beispiel. Warum also Arbeit? Ich befürchte, dass die beschriebene – nicht immer beobachtbare – Ausweitung der Erwartungen an die Arbeit dazu führt, dass die Möglichkeiten, die die anderen Funktionsbereiche und sozialen Formate der Gesellschaft bieten, nicht mehr erkannt werden.

Mit dieser Erwartungsinflation geht einher, dass beinahe jede menschliche Tätigkeit zur Arbeit erklärt wird. Doch wenn alles Arbeit ist, was macht Arbeit dann noch aus? Darf sich Arbeit noch von etwas unterscheiden? Zudem kann die Unterscheidungslosigkeit schnell zur Unerfüllbarkeit der Erwartungen werden und damit zur Quelle von Frustrationen.

Viele dieser – noch dazu widersprüchlichen – Erwartungen führen zu Enttäuschungserfahrungen. Zumal das eigene Tun nur beschränkt vom Individuum selbst gestaltet werden kann. Denn es sind Organisationen, die (außer man arbeitet alleine), ausgestattet mit finanziellen, technischen, technologischen, räumlichen Mitteln gesteuert von Führungskonzepten, Führungskräften, Entscheidungsprämissen, Stakeholdererwartungen und Strategien, die die Rahmenbedingungen für das konkrete tägliche Tun – das sich dann Arbeit nennt – schaffen.

Nicht zuletzt werfen die aktuellen Diskussionen um immer längere Ausbildungszeiten, über Experimente zur Viertagewoche und längere Urlaubszeiten, um ein bedingungs- sprich: arbeitsloses Grundeinkommen die Frage auf, ob Arbeit überhaupt noch das bestimmende Element des Lebens sei. Das offenbart einen zumindest interessanten Widerspruch in den Erwartungen: Es soll möglichst immer weniger Arbeit geben, dafür gibt es immer mehr an Bedürfnissen, die von dieser erfüllt werden sollen.

Daher schlage ich vor, Ansprüche und Erwartungen, die an Arbeit gerichtet werden, zu differenzieren und zu relativieren. Das reduziert auch die Widersprüche.

Zweiter Reflexionsimpuls: Das Versprechen der Absorption von Unsicherheit

Der zweite Reflexionsimpuls bietet eine Erklärung an. Hier meine Hypothese zu diesem (von mir behaupteten) Phänomen der Erwartungsinflation:

Arbeit wird immer dann zum Sehnsuchtsort, wenn gravierende gesellschaftliche und technologische Veränderungen zum einen neue gesellschaftliche Problemlagen aufwerfen, die mit den bestehenden Erfahrungen nicht gelöst werden können, und zum anderen den Charakter der Arbeit selbst und damit die Ordnungslogik der Organisationen verändern. Wie zum Beispiel in den späten 1960er-Jahren die Ausbreitung der damals so genannten EDV und die damit verbundene Krise der Hierarchie.

Mit anderen Beobachtern in Soziologie und Feuilleton, Wissenschaft und Politik teile ich die Einschätzung, dass wir heute einen Epochenbruch erleben, der mit vielfältigen und durchaus widersprüchlichen Folgeerscheinungen einhergeht: steigende Ungewissheiten, ein Mehr an Komplexität, ein Weniger an Vertrautem und Gewohntem, ein wachsender Problemüberschuss bei gleichzeitig zunehmenden Lösungsdefiziten, ein Verlust an Vertrauen in Systeme und Institutionen, in Politik, Wissenschaft, Religion.

Die Erfahrung dieser Umbrüche führt zur Suche nach einem Ort, wo der Mensch sich täglich als Handelnder erleben kann, einem Ort der Erfüllung der vielen berechtigten Erwartungen an das Sein. Die Suche gilt Orten und Tätigkeitsfeldern, die Orientierung, Stabilität, Verstehen des eignen Tuns wie ein Verstehen des Umfeldes ermöglichen. Dafür scheint sich das täglich zu erlebende Feld der Arbeit anzubieten. Wenn die Arbeit entsprechend den oben beschriebenen Erwartungen und Seins-Wünschen gestaltet werden könnte, dann wäre es möglich, die Überforderungen, das schwer zu Begreifende und Paradoxe der gesellschaftlichen Brüche und Umbrüche auszublenden. Kurz gesagt, bietet Arbeit das Versprechen der Absorption von Unsicherheit. Hoffnung und Illusion liegen dabei nahe beieinander.

Das Versprechen, Arbeit könne – entsprechend gestaltet – all diese Wünsche erfüllen und Mitarbeitende hätten einen Anspruch darauf, wird auch vom demoskopischen Wandel und Arbeitskräftemangel befördert. Nicht mehr die sogenannten Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer definieren zunehmend die Arrangements der Mitgliedschaftsbedingungen. Bedürfnisse und aktuelle Befindlichkeiten bekommen einen stärkeren Einfluss. Dabei gerät ein zentrales Element der Arbeitsbeziehungen ins Hintertreffen: das Balancieren, das Verhandeln von Erwartungen zwischen „Arbeitnehmern“ und „Arbeitgebern“ (sowieso eine Verdrehung). Und das führt zu neuen Verwerfungen. Angetrieben wird dieser Prozess auch von der Beratungsbranche, die aus der Erzählung, wie Arbeit eigentlich sein sollte und wie sie daher umzubauen sei, ein durchaus einträgliches Geschäft abzuleiten versteht.

In vielen Wirtschaftsunternehmen nehmen sowohl auf der Seite des Managements als auch auf der Seite der Mitarbeitenden die Frustrationen zu. Das Management beklagt überzogene Forderungen vor allem jüngerer Mitarbeitender – und diese wiederum klagen über ein mangelndes Verständnis für ihre Vorstellungen der Gestaltung von Arbeitsbedingungen und beschweren sich über nicht eingehaltene Versprechen einer modernen Arbeitskultur. Gegenseitig herrscht Unverständnis. Ein neues Erwartungsmanagement, ein neues Verhandeln auf Augenhöhe, ein neues Balancieren von Wünschen und Erfordernissen muss erst entwickelt und gelernt werden.

Dritter Reflexionsimpuls: Arbeit, ein Wert an sich?

Der dritte Reflexionsimpuls bezieht sich auf die Überlegung, Arbeit komme ein Wert an sich zu.

Vielleicht ist die beschriebene Aufladung mit unterschiedlichen Ansprüchen der Grund dafür, dass Arbeit als Wert an sich wahrgenommen wird. Diese Forderung des an sich eröffnet eine Unterscheidung zu Arbeit als Funktion für. Das klingt so, als wäre Arbeit weniger wertvoll, wenn sie nur eine Funktion für erfüllte: für individuellen Gelderwerb, für die Erfüllung von Bedürfnissen, für das Sicherstellen von Profit eines Unternehmens, für das Vermeiden von Langweile und so weiter. Unter der Hypothese der Entfremdung der Arbeit in unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem werden damit implizit Zwecke und Funktionen unter Verdacht gestellt. Es wird ein Widerspruch konstruiert, der Arbeitende, die ihre Arbeit schlicht als Funktion für begreifen, eine seltsame Rolle zuweist: Entweder sind sie Opfer „des Systems“ oder sie sind naiv, weil sie das Ausbeutungsverhältnis nicht wahrnehmen. Eine selbstbewusste Entscheidung, Arbeit als Zweck zu sehen und auszuüben, schließt diese Hypothese aus. Ich frage mich: Darf meine Arbeit ganz einfach unterschiedliche Zwecke erfüllen, ohne dass ich mich deshalb entwertet fühlen müsste?

Die Idee des an sich verschleiert zudem die Frage nach dem Wert von Arbeit. Denn ein möglicher Eigenwert von Arbeit kann nicht gefunden werden – wo sollte man ihn auch suchen? Der Wert von Arbeit muss vielmehr als Wert der handelnden Personen verstanden werden, das heißt: Er muss hergestellt werden. Erst in einem kommunikativen Prozess kann geklärt und entschieden werden, worin für den Einzelnen, für ein Team, für eine Organisation, für die Gesellschaft der Wert von Arbeit besteht. Da ein Wert für sich leer bliebe, muss zudem die Relation geklärt werden: In Bezug worauf stellt Arbeit einen Wert dar? Welche gesellschaftlichen Werte soll der Wert von Arbeit beinhalten? Und wer entscheidet das? Ich befürchte, dass die Forderung, Arbeit solle einen Wert an sich besitzen, Moral und Ideologien einlädt, über Arbeitsqualitäten zu bestimmen.

Allgemein gefasst: Für mich ist die Frage nach Zwecken und Funktionen sehr erhellend, denn die Antworten darauf machen sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Bedürfnisse sichtbar, und der Streit darüber, wie sie zu erfüllen sind, macht uns mit den Verhältnissen vertraut.

Vierter Reflexionsimpuls: Sinn versus Monotonie, Mühsal, Gelderwerb

Der vierte Reflexionsimpuls fokussiert auf die Gegenüberstellung Sinn versus Monotonie, Mühsal, Gelderwerb.

Der Begriff Sinn ist sowohl emotional hoch aufgeladen als auch hochabstrakt. Er muss, um eine Klärung zu ermöglichen, konkretisiert und in die Niederungen des täglichen Arbeitens des Einzelnen übertragen werden. Soll die individuelle Bewertung, was für jemanden eine sinnvolle und befriedigende Tätigkeit – sprich Arbeit – ist, nicht einer moralischen Überhöhung als „Wert an sich“ ausgeliefert werden, dürfen diese Kategorien nicht vermengt werden. So wird deutlich, dass soziologische, psychologische, gesellschaftliche, ideologische Begründungen zwar anregend sein können, ihnen aber nicht die Rolle einer bewertenden Instanz zukommen kann.

Christian Felber meint in seinem Impulsbeitrag: „Weder soll die Arbeit zu einer Mühsal oder monoton werden, noch vorrangig dem Gelderwerb dienen. Denn dann kann es vorkommen, dass Menschen ausbrennen, ‚innerlich kündigen‘ oder jede Motivation verlieren, sich am Erwerbsleben zu beteiligen.“ Die Gegenüberstellung „Arbeit versus Mühsal, Monotonie, Gelderwerb“ löst in mir Irritation und eine Fülle von Fragen aus: Warum eigentlich soll Erwerbsarbeit nicht vorrangig dem Gelderwerb dienen? Und was wäre dann praktisch beeinträchtigt? Wie würden Tätigkeiten, die zu tun sind, um Existenz und Auskommen zu sichern, dann von Arbeit unterschieden? Und warum wird Geld als das abstrakte Tausch-, Bewertungs- und Relationierungsmedium implizit abgewertet? Offen bleibt zudem, wie dieser Tauschvorgang zum „Ausbrennen“ führt.

Zum subjektiv empfundenen oder realen Ausbrennen (Burnout) führen ganz andere Phänomene: Siehe zum Beispiel Erschöpfungserfahrungen von Startup-Gründerinnen und -Gründern, die ihre Arbeit kaum als monoton, aber immer wieder – in Verhandlungen mit Investoren etwa – als durchaus mühselig erleben und zudem sehr genau auf den Return of Invest achten müssen, um das Überleben der Firma zu sichern. Auch werden engagierte, junge Ärztinnen und Ärzte ihren täglichen Einsatz in der Notfallambulanz weder als monoton, noch als Mühsal beschreiben und den Gelderwerb auch nicht auf Prio eins setzen. Aber vor Burnout und Motivationsverlust sind sie auch nicht geschützt, vor allem, wenn Führung ihrer Aufgabe nicht gerecht wird und Kostenminimierung regiert.

Außerdem: Was wäre an Mühsal so problematisch? Die täglichen, nicht zu vermeidenden Routinearbeiten in der Altenpflege beispielsweise nicht als mühselig und monoton zu bewerten, geht an der Form dieser Arbeit vorbei. Routine ist hier auch kein Symptom prekärer Arbeitsverhältnisse, sondern Begleiterscheinung einer Arbeit, die eindeutig als sinnvoll, gesellschaftlich relevant und von den Ausführenden selbst als äußerst wertvoll bewertet werden kann.

Ich bezweifle zudem, dass es dem Verständnis von befriedigender, erfüllter Arbeit dienlich ist, in erster Linie deren positive Seiten in den Blick zu nehmen. Arbeit ist nicht immer Spaß und abwechslungsreich. Innerlich zu stöhnen und manchmal zu verzweifeln, gehört oftmals einfach dazu. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, dass mir die Vorbereitung einer sehr sinnvollen Aufgabe in der Beratung oder beim Schreiben eines Artikels immer wieder Mühsal bereitet und manche wiederkehrende Aufgaben echt monoton sind. That’s Life! Respektive Work.

Nicht zuletzt kann auch das Abwechslungsreiche als Stress erlebt werden. Ausgeblendet bleibt auch, dass monotone Routinen im Leben und in Arbeitszusammenhängen nicht nur regelmäßig vorkommen, sondern oft auch erforderlich sind und sehr entlastend wirken können.

Die obigen Etikettierungen von Arbeit scheinen mir vom arbeitenden Menschen losgelöst. Sie unterstellen, dass die unterschiedlichen Werktätigen ihre jeweilige, spezifische Tätigkeit – an der Supermarktkasse, beim Bepflanzen von Blumentrögen, bei der Beobachtung und Steuerung von Produktionsprozessen, beim Bearbeiten der Steuererklärung oder dem Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichtes – alle mit ähnlichen Emotionen und Werten verbinden. Die Absolutsetzung von Arbeit plus ihre Etikettierung mit Eigenschaften vorrangig aus dem positiven Spektrum des Erlebens hilft wenig, um die Verhältnisse zu verändern – ebenso wenig wie schöne Formulierungen in Unternehmensleitbildern. Erforderlich ist eine Differenzierung unterschiedlicher Tätigkeiten und deren Eigenarten.

Sinn, Kontext, Organisationen – ein paar kurze Schlussfolgerungen

Sinn vermittelt sich (und da erzähle ich nichts Neues), wenn ich Einsichten in Zusammenhänge entwickeln kann. Wenn nachvollziehbar ist, was ich mit meinem Tun bewirke. Wenn klar ist, was geschehen würde, wenn ich diese oder jene Handlung in der Prozesskette nicht ausführen würde. Oder ich – wäre ich beispielsweise Zugführer zwischen München und Berlin – mal aus der Monotonie meiner Tätigkeit ausbrechen wollte.

Sinn manifestiert sich auch in der Koppelung von Arbeit, dem konkreten Tun, mit dem hergestellten Produkt oder der erbrachten Dienstleistung. Die Betreuung der Gäste im Restaurant, die Zubereitung der Speisen in der Küche, die Montage in der Fabrikhalle, das Erstellen des Projektberichtes im Büro, die Blinddarmentfernung am Operationstisch – all das wird immer wieder auch mühselig und monoton sein. Aber Tätigkeiten wie diese werden wahrscheinlich sozial und gesellschaftlich als sinnvoll verstanden. Wenngleich individuell, von der ausführenden Person, oft erst nach getaner Arbeit, wenn sie erschöpft nach Hause kommt.

Kontext: Wie sehr der Kontext den Wert der Arbeit beeinflusst, konnte man in der Coronazeit lernen, als plötzlich die Bedeutung „systemrelevanter“ Tätigkeiten in den Blickpunkt rückte. Diese neue Bewertung hat freilich kaum zu einer besseren Entlohnung solcher Tätigkeiten geführt. Deutlich wird darin, wie sehr die Grundlogik des kapital- und geldwertorientierten Wirtschaftens, die Leitdifferenz „zahlen versus nicht zahlen“ alle Gesellschaftsbereiche durchdringt und teilweise dominiert. So bestimmt zum Beispiel die Leitdifferenz „gesund versus krank“ nur mehr rudimentär die Entscheidungen im Gesundheitswesen. Es regieren Kostenminimierungsstragtegien.

Das bedeutet: Wenn wir uns mit dem Wert und dem Sinn von Arbeit auseinandersetzen, sollten wir so weit als möglich die Kontexte, in denen sie stattfindet, in den Blick nehmen – und ganz wesentlich: Unterschiedliches nicht vermischen und Unterschiede nicht verwischen. Je nachdem, ob der Fokus auf gesellschaftspolitische, kulturelle, regionale, religiöse, zeitbezogene (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) oder rechtliche Aspekte gerichtet wird, führt das zu anderen Erkenntnissen und zu anderen Bewertungen. Ebenso, ob es um die konkrete Ausgestaltung von Arbeit geht oder um den allgemeinen Rahmen, in dem sie stattfindet. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den organisationalen Rahmen.

Organisationen: Arbeit findet weitestgehend in Organisationen statt: in Organisationen mit jeweils unterschiedlichen Zwecken, Strategien, Arbeitsprozessen, Kulturen und Werten, mit unterschiedlichen Formen der Kommunikation, Kooperation und Führung. Organisationen sind ein Kontext, der andere Beobachtungen, Bewertungen und Möglichkeiten der Gestaltung von Arbeit eröffnet als die anderen genannten Kontexte.

Als Organisationsberater ist mein Fokus die Organisation. Für mich sind die Strukturen, Wertschöpfungsprozesse, Mitgliedschaftsbedingungen, Spielregeln und Entscheidungsprämissen die Kernfragen, die die Gestaltung von Arbeit betreffen. Ebenso die Möglichkeit, über die Erwartungen der Stakeholder, der Kundinnen und Kunden sowie den Mitarbeitenden der Organisation einen konstruktiven Dialog zu führen. Will man Veränderungen initiieren, wird man die Erwartungen und Vorschläge an unterschiedliche Adressaten zu vermitteln haben.

Mehr und mehr sind Organisationen gefordert, sich auf Führungsdialoge einzulassen. Ein Grund dafür sind die demographischen Entwicklungen – Babyboomer gehen in Pension und Mitarbeitende jüngerer Generationen treten mit anderen Vorstellungen von Leben und Arbeit in die Organisationen ein. Das erfordert Dialog. Es ist Aufgabe von Führung, Dialoge zu initiieren und zu moderieren. Erforderlich sind Führungsdialoge, in denen konkrete Konzepte für sinnvolle Arbeitsverhältnisse entwickelt werden können. Und die den übergeordneten Kontext mit berücksichtigen. Das bedeutet zu akzeptieren, dass Arbeit auch etwas mit Schweiß, Leistung und Verantwortungsübernahme zu tun hat. Es bedeutet aber auch, sich zugleich von realistischen Utopien leiten und von den neuen Herausforderungen des Überlebens auf diesem Planeten anregen zu lassen, Arbeit anders zu gestalten.

Herbert Schober-Ehmer

Herbert Schober-Ehmer ist Organisationsberater in Wien. Er ist seit mehr als 40 Jahren als Executive-Coach und Trainer tätig, hat die systemtheoretisch ausgerichtete „Wiener Schule der Organisationsberatung“ mitbegründet und ist Mitglied des Club Systemtheorie/Berlin. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter von Redmont Consulting und Gesellschafter von Flipsite, Beratung für nachhaltige Unternehmensführung.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie, die mit unserem Partner ChangeX, der Online-Plattform für Zukunftsideen, neue Wirtschaft und Innovation entstanden ist. Alle bisher erschienenen Beiträge der Serie kannst du im Sammelartikel Arbeit, Wert und Sinn – Impulse aus der Freiräume-Community zum Wert von Arbeit nachlesen.