Freiräume (Un)Conference 2021Unternehmens- und Bildungspioniere
Was macht deine Organisation zu einem Pionierunternehmen?
Marie-Sophie: Wie sind Bildungspioniere und Menschenpioniere, weil wir nicht nur um die Einsichten der Kognitionswissenschaften, also der Hirnforschung, Lernspsychologie, Linguistik und Wahrnehmungsphilosophie, wissen, sondern diese für unsere Kinder auch umgesetzt sehen wollen. Lernen ist eine selbstständige, autonome, kreative und aktive Tätigkeit. Es ist dem Menschen angeboren, sich freiwillig, aus intrinsischer Motivation autonom und selbstbestimmt zu bilden. Damit ist ein neues Menschenbild verbunden. Jedem jungen und alten Menschen ist auf Augenhöhe zu begegnen, er braucht keine Bevormundung, sondern Respekt. Wir nehmen insbesondere die Bildungsbedürfnisse junger Menschen ernst und fordern echte Lernerzentriertheit durch die Legalisierung selbstorganisierten Lernens ohne Bevormundung, Objektivierung, Beschämung oder Bestrafung.
Alexandra: Man könnte die Freilerner mit den Pionieren der Permakultur vergleichen. In diesem Bild würde die Regelschule dem konventionellen Anbau gleichen – große Flächen, wo unter Einsatz von schweren Maschinen, von Kunstdünger und Pestiziden eine bestimmte Feldfrucht in standardisierter Qualität erzeugt wird. Die Reformschulen ähneln dem Biolandbau – kleinere Flächen, auf denen verschiedene Pflanzensorten angebaut werden, unter Einsatz natürlicher Düngemittel und möglichst wenig Pestiziden. Das freie, selbstbestimmte Lernen würde in diesem Bild der Permakultur entsprechen, bei der sich achtsame Gärtner unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten von Boden und Landschaft um eine Symbiose zwischen ganz verschiedenen Bäumen, Sträuchern, Kräutern, Gemüse- und Obstsorten bemühen, so dass die Pflanzen ohne Dünger- oder Pestizideinsatz reiche Frucht tragen. Experten meinen, dass Permakultur die ganze Erde in einen Garten verwandeln und weit mehr Menschen ernähren könnte, als heute auf ihr leben. Kinder, die selbstbestimmt aufwachsen durften, werden als Erwachsene befähigt sein, vorhandene Freiräume zu nutzen und neue zu schaffen, wo Menschen in Symbiose statt in Konkurrenz miteinander leben.
Was bedeuten für dich Mindset?
Welche Haltungen, Denkweisen und Handlungsmuster empfindest du als förderlich für die Zukunft der Arbeit?
Die Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften bezüglich selbstorganisierten Lernens haben zu einem Paradigmenwechsel geführt. Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Lernprozesse sind hochgradig individuelle Tätigkeiten. Deshalb folgte die Forderung: Die Lernenden müssen in den Mittelpunkt aller Bildungsbemühungen gestellt werden.
Wenn Lernende wirklich im Mittelpunkt stehen, bedeutet dies, dass ihren Bildungsbedürfnisse auf Augenhöhe begegnet wird, sie Mitspracherecht und Gestaltungsmöglichkeiten in Bildungsangelegenheit haben. Diese Einsichten strahlen in die Arbeitswelt, in politische Prozesse, in die Beziehung Arzt-Patient und in den juristischen Bereich aus. Menschen, die autonom denken und arbeiten können, können selbstwirksam, kreativ und selbstständig an Problemlösungen herangehen und sind weder Befehlsempfänger noch Untertanen.
Warum sollte eine Teilnehmerin ausgerechnet zu deiner Pionierstation kommen?
Marie-Sophie: Wir wolle darlegen, dass die Grundvoraussetzung für selbstbestimmtes, autonomes Arbeiten in einer selbstbestimmten, autonom-organisierten Bildung liegt. Nur wer von klein an Selbstverantwortung übernehmen darf, kann als Erwachsener autonom arbeiten und kreativ Probleme lösen.
Alexandra: In letzter Zeit ist das Interesse an alternativen Bildungsformen stark gestiegen. Selbstbestimmtes Lernen geistert als Schlagwort durch die Pädagogik, doch kaum jemand kann sich konkret vorstellen, was das in der Praxis bedeutet. Wir möchten Fragen zu diesem Themenkreis beantworten und erzählen, wie Freilerner leben.
Welche Fragen bringst du selbst zur Pionierstation mit?
- Pioniere sind in der Lage, die Vergangenes und Gegenwärtiges kritisch zu reflektieren, damit sie Defizite ausgleichen und Neues schaffen können. Welche Bereiche deiner Bildungssozialisierung waren mit Schmerzen belegt?
- Welche Aspekte der Bildungsfreiheit beschäftigen die Konferenzteilnehmer, mit welchen Erwartungen und Befürchtungen werden wir konfrontiert werden?
Marie-Sophie Frei
Alexandra Terzic-Auer