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Was macht deine Organisation zu einem Pionier?

Das Kommunikationshaus gugler* ist ein eigentümergeführter Industrie- und Dienstleistungsbetrieb. Und als solcher ein Öko-Pionier in der Entwicklung nachhaltiger Druckverfahren. Wir haben viel Geld und Zeit und Know-How in Nachhaltigkeitsfelder investiert, wo es in der Branche noch gar nicht am Radar war: Wir sind weltweit die erste Druckerei mit einem Cradle to Cradle Design-Ansatz, wir haben seit über 20 Jahren eine vegetarische Betriebsküche und seit 23 ein mit Lehm gebautes Ökogebäude und zwei kreislauffähige Plus-Energie-Gebäude. Wir waren eine der ersten Agenturen, die in Österreich barrierefreie Webseiten anbieten konnten. Wir haben zu Achtsamkeits-Seminaren eingeladen, als dies in vielen Unternehmen noch kein Thema war. Wir sind einer der ersten GWÖ-Betriebe in Österreichs.

Doch: Alles, was in Richtung Agilität geht, da sind wir noch stecken geblieben. Da haben wir noch einen Weg vor uns, den wir immer wieder in den Blick bekommen haben. Immer wieder sind wir Schritte in diese Richtung gegangen. Wir haben immer wieder viel in Technik und technologische Entwicklung investiert, aber nicht in Kultur-Entwicklung im Sinne von Team-Entwicklung. Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung der Führungskräfte ist ein Erfolgsfaktor.

Wandel in Richtung Agilität braucht aus unserer Erfahrung eine gewisse ökonomische Beständigkeit, die in Zeiten wie diesen schwierig zu gewährleisten ist. Es braucht eine gewisse Ertragslage, damit man Pionierleistungen vorfinanzieren kann zu einem Zeitpunkt, wo „der Markt“ – also zahlende Kund*innen noch nicht bereit sind für immaterielle Werte und Qualitäten einen Preis zu zahlen, der diese ökologischen und sozialen Leistungen, diese Produktqualität abdeckt. Auch wenn diese Produktqualitäten einen klaren Mehrwert für Gesellschaft, das Gemeinwohl und die Umwelt haben: Etwa das unsere Cradle to Cradle silber und gold zertifizierten Buch-Komponenten (wie Papier, Farben und Leime) geprüft schadstofffrei sind und keine krebserregenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoffe enthalten.

Wie manch anderes eigentümergeführte Unternehmen waren auch wir angetrieben von Visionen. Der Weg dahin, all dies anbieten zu können, war immer wieder auch holprig. Es gilt wie so oft: Dranbleiben ist das Erfolgsrezept. Die Wege in die Kreislaufwirtschaft sind komplex. Vor allem produzierende Unternehmen können diese nicht alleine gehen. Wir sind von der vor- und nachgelagerten Lieferkette abhängig. Der Erfolg hängt aus unserer Sicht von einem Paradigmenwechsel ab: Vom ICH zum WIR, zur echten Kooperation. Und zu einem neuen Preisverständnis: Ein fairer Preis ist jener, bei dem keine negativen Kosten nach außen verlagert werden und alle PartnerInnen in der Lieferkette zu fairen Preisen produzieren können.

Wie erlebst du »Der Wert von Arbeit« in deiner Organisation?

Wir würden gerne mit Euch über das Thema sprechen, das uns zur Zeit am meisten beschäftigt: Was sind ökologische Leistungen wert? Was ist der Mehrwert eines Produktes, das Cradle to Cradle zertifiziert ist?

Der Wert von Arbeit drückt sich ja auch im Preis aus: Im Moment ist der Preisdruck in unserer Branche sehr hoch, das Gemeinwohl tritt in den Hintergrund – in unserem Fall: Wir habe eine eigene Abteilung für Forschungs- & Entwicklung, die die weitere Ökologisierung unserer Druckprodukte vorantreibt. Das heißt, ich brauche KundInnen, die bereit sind, diese Leistungen für die Gesellschaft über den Produktpreis abzudecken. Das ist im letzten halben Jahr um ein Vielfaches schwieriger geworden – wir haben einige Kundenaufträge an Billigstbieter verloren – wo wir wissen, dass die Druckprodukte nicht annähernd unseren ökologischen Standards entsprechen. Das betrifft auch Unternehmen, die das Geld dafür hätten: Hier ist es auch eine Frage des Bewusstseins. Wenn der Vertrieb den ökologischen & Gemeinwohl-Mehrwert nicht verinnerlicht hat, bringt man die Preise nicht durch. Genauso wenig, wenn der Einkauf diese Werte nicht verinnerlicht hat.

Wichtig scheint uns zum Thema Wert von Arbeit auch: dass MitarbeiterInnen ihre eigenen Werte im Kontext ihrer Arbeitswelt verwirklichen und leben können. Mit anderen Worten, dass sie ihre eigene Arbeit unmittelbar als sinnstiftend erleben können. Arbeit im Kontext eines Unternehmens hat aus unserer Sicht drei Funktionen: Produkte und Dienstleistungen herzustellen, die dem Leben wirklich dienen. Gemeinsam mehr zu schaffen als eine/r alleine schaffen kann. Mit anderen Worten: Dass Menschen in der Zusammenarbeit mit anderen über sich hinauswachsen können und drittens: dass die Arbeit im Rahmen eines Unternehmens stattfinden kann. Das Unternehmen also eine Art „Zuhause“ ist, in dem Beziehungen wachsen können. Das Unternehmen als soziales Beziehungsnetzwerk und als sozialer Bezugspunkt. Das ist für uns der dritte Wert von Arbeit.

Warum sollte eine Teilnehmerin ausgerechnet zu deiner Pionierstation kommen?

Weil wir viele Erfahrungen aus 34 Jahren Firmengeschichte teilen können. Wir haben Höhen und Tiefen erlebt, und wir glauben, dass wir einander im Austausch stärken können. Es braucht in dieser Zeit der großen Unsicherheitszonen (wie Herbert Schober-Ehmer das nennt) Offenheit und ein Miteinander, um immer wieder Kraft und Perspektiven zu schöpfen und die nächsten unternehmerischen Schritte gehen zu können.

Daher wollen wir bei der Pionier-Station der Freiräume offen über unsere „Fehler“ sprechen. Allen voran unseren Känguru-Fehler: Große Sprünge bei leerem Beutel. Immer wieder haben wir uns unrealistische Ziele gesetzt, unsere eigenen Ressourcen überschätzen – zum Bespiel die Bereitschaft der Teams nach einer inneren Transformation der Zusammenarbeit – den Weg in die Agilität mitzugehen.

Welche Fragen bringst du selbst zur Pionierstation mit?

  • Wieviel Stabilität braucht Agilität? Wieviel Boden unter den Füßen braucht ein Unternehmen, wieviel stabilen Rahmen, um gut Schritte in die Selbstorganisation gehen zu können?
  • Wo überall kann man gleichzeitig Pionier sein?
  • Was ist der gesellschaftliche Mehr-Wert ökologischer und sozialer Qualitätseigenschaften von (Druck-)Produkten?
  • Was alles können wir von euch lernen?
Andrea Heistinger

Andrea Heistinger

Ernst Gugler

Ernst Gugler