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Was macht deine Organisation zu einem Pionier?

Die Schülerinnenbeteiligung am Erich Fried Realgymnasium in Wien war bislang ähnlich wie an vielen anderen Gymnasien organisiert: Die Schülerinnen hatten im Schulgemeinschaftsausschuss ein formales Mitspracherecht, doch in der Praxis fand wenig aktive Beteiligung statt. Entscheidungsprozesse wurden oft als langwierig und intransparent wahrgenommen.

Im Herbst 2024 startete die Schule in Zusammenarbeit mit SOS Kinderdorf ein Pilotprojekt zur aktiven und direkten Schülerinnenbeteiligung. Das Konzept „aula“ stammt aus Deutschland und ermöglicht es den Schülerinnen, auf einer digitalen Plattform Ideen zu sammeln, zu diskutieren und darüber abzustimmen. Der gesamte Prozess wird im Unterricht didaktisch begleitet, wodurch die Schülerinnen nicht nur demokratische und digitale Kompetenzen erwerben, sondern auch Selbstwirksamkeit erleben können.

Wie erlebst du das Spannungsfeld von Autokratie und Demokratie in deiner Organisation?

Emilia: Ich bin jetzt mittlerweile in der 7. Klasse und kenne daher unser Schulsystem schon ziemlich lange. Es hat mich schon immer gestört, dass es kaum Raum gab für Mitbestimmung von Schüler*innen und man immer alles einfach so hinnehmen musste ohne wirkliche Erklärungen.

Saya: Nach der 1. Klasse Gymnasium bin ich mit 11 Jahren ans BRG9 gewechselt, nicht zuletzt aufgrund der unfassbar spürbaren Hierarchie an meiner alten Schule. Seither habe ich zwar viel mehr das Gefühl, gehört zu werden, dennoch stoße ich, obwohl ich zum 2. Jahr in der Schüler*innenvertretung bin, weiterhin auf „ist halt so“-Wände.

Werner: Ich habe 18 Jahre in der angewandten Forschung gearbeitet und bin daher agiles Arbeiten und flache Hierarchien gewohnt. Seit zwei Jahren bin ich Lehrer und genieße es sehr. Die starren Strukturen und die Entwicklungsresistenz des Schulsystems haben mich dann aber doch überrascht. Trotzdem ist mit der nötigen Hartnäckigkeit auch innerhalb des Systems sehr viel möglich.

Jonas: Schulen bei der Einführung von aula zu beraten und zu begleiten ist ein unheimlich spannender, lehrreicher Prozess. Die Zweifel und Widerstände gegenüber aula gründen meist auf der Angst, bestehende Strukturen würden zerstört. Die Möglichkeit zur Mitbestimmung wird häufig mit Autoritäts- und Machtverlust assoziiert und daher abgelehnt. Und das, obwohl der Status Quo tatsächlich für alle Beteiligten viel Frustration und Unzufriedenheit bedeutet.

Ein weiteres Paradoxon: kaum jemand schreibt Kindern und Jugendlichen Interesse an Mitbestimmung zu, selbst wenn sie dieses Interesse ernsthaft artikulieren. Daher bleibt für mich die größte Baustelle, wie die Vorteile von Mitbestimmung für alle beteiligten Akteure in einem System besser erklärt werden können. Mitbestimmung für Schüler*innen ist ein reales, ernsthaftes Anliegen und kann ein Multiplikator für mehr Zufriedenheit für alle sein – dieses Verständnis möchte ich fördern.

Warum sollte eine Teilnehmerin ausgerechnet zu deiner Pionierstation kommen?

Alle Probleme und Lösungen unserer Gesellschaft fangen mit Bildung an. Wer Kinder zu Gehorsam und Reproduktion erzieht, darf von Absolvent*innen nicht Selbstinitiative und kritisches Denken erwarten.

Die Zutaten für unser Projekt sind viel Idealismus, neue Sichtweisen in einem bunten Team, Geduld und Kompromissfähigkeit.

Welche Fragen bringst du selbst zur Pionierstation mit?

Welche Kompetenzen werden Kinder von heute in 10 oder 20 Jahren brauchen?

Alle Kolleg*innen mitnehmen und trotzdem schnell vorankommen? Wie schaffen wir den Spagat?

Wie betrifft der wachsende Populismus nicht nur Politik sondern auch Organisationen und Schulen?

Emilia Weis

Saya Chinchilla

Werner Palfinger

Jonas Meixner